Gute Nachricht für Geschäftsführer und Vorstände: Auswege aus der Haftungsfalle in der Insolvenz

Von Rechtsanwalt Dipl.Vw.Wirt Oliver Syren

Der BGH befreit Geschäftsführer einer GmbH und Vorstände einer AG aus einer Zwickmühle – keine Haftung für Abführung der Arbeitnehmeranteile bei Insolvenzreife und kein Verschulden, wenn auf den Rat eines Fachmannes vertraut wird.

Die Zwickmühle der Sozialversicherungsabgaben – und der Ausweg

Der Geschäftsführer einer GmbH bzw. Vorstand einer Aktiengesellschaft konnte sich bisher eigentlich nur falsch verhalten: Zahlte er in der Unternehmenskrise die Arbeitnehmeranteile an die Krankenkasse, nahm ihn im Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter aus § 64 Abs. 2 GmbHG in Anspruch (Haftung wegen Masseschmälerung). Wurden sie nicht gezahlt, baten ihn die Krankenkassen persönlich zur Kasse aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 a StGB – welch ein unsinniges Dilemma für Unternehmer.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2007 diese ausweglose Lage erkannt und seine Rechtsprechung zum Vorteil der Geschäftsführung geändert: Das höchste Gericht hat ausdrücklich entschieden, dass Geschäftsführer/Vorstände, die (zur Vermeidung einer Strafbarkeit) bei Insolvenzreife der GmbH/AG noch Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung oder Lohnsteuer abführen, mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters handeln und nicht nach § 92 Abs. 3 Aktiengesetz oder § 64 Abs. 2 GmbHG erstattungspflichtig sind.

Keine Haftung, wenn sich der Geschäftsführer/Vorstand auf einen Fachmann verlässt

Die Haftung des Vorstands wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach §§ 92, 93 AktG setzt eben so wie die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 GmbHG eine schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht voraus. Für die Haftung reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus – das Verschulden des Vorstands/Geschäftsführers wird vermutet. Den Vorstand/Geschäftsführer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat. und es wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit (Insolvenzgrund) des Unternehmens.

Dabei muss sich die Geschäftsführung gegebenenfalls extern beraten lassen um etwa im Falle einer bilanziellen Überschuldung zu prüfen, ob eine positive Fortführungsprognose besteht.

Neu ist, dass der BGH festgestellt hat, dass sich die Geschäftsleitung darauf verlassen darf, wenn umfassender Rat von einem „fachlich qualifizierten Berufsträger“ eingeholt wird und von dort die Überschuldung/Zahlungsunfähigkeit verneint wird. Wenn nach eigener Plausibilitätsprüfung diesem Rat folgend kein Insolvenzantrag gestellt wird, haftet der Geschäftsführer/Vorstand nicht.

Diesen klaren Worten des BGH folgend ist davon auszugehen, dass im eigenen Interesse die Vorstände von Aktiengesellschaften und Geschäftsführer von GmbHs in der Krise rechtzeitig qualifizierten Rechtsrat einholen – dies ist eine gute Vorbeugung gegen die persönliche Haftung und Folgeinsolvenz und zugleich eine Chance für die kontrollierte Krisenintervention und Abwendung eines Insolvenzverfahrens.